Was ich unter Self Care verstehe: Inspiriert von Audre Lorde

 

,,Meine eigene Self Care Routine schaffen”, lautet mein Vorsatz  für dieses Jahr.

Self Care steht für Selbstfürsroge und Selbstliebe, es beschreibt nach meinem Verständnis den achtsamen und respektvollen Umgang mit sich selber. Die Zuwendung die du dir und deinem Körper schenkst, um ein gesundes und ausgeglichenes Leben führen zu können. Das Selbstfürsorge und Selbstachtung aber Begriffe mit langer antirassistischer und feministischer Tradition sind, wird kaum mehr thematisiert. Vor allem auf Social Media Plattformen wird Self Care eher mit Selbstoptimierung und – be your Best Self – gehypt.

Mittlerweile hat Self Care für mich als WoC (Women of Color) viel weniger mit Yoga, Spa oder Detox zutun. Inspiriert hat mich ein Zitat von Audre Lorde, der genau das in Worte fasst, was ich Jahre lang empfunden habe. 

„Caring for myself is not self-indulgence, it is self-preservation, and that is an act of political warfare.” – Audre Lorde 1988, A Burst of Light

Mit diesem Satz verdeutlicht Audre Lorde, Schriftstellerin und Feministin, dass die Erhaltung und Pflege der körperlichen und seelischen Gesundheit von Menschen, die von Rassismus betroffen sind – nötig ist, um ihre eigene Existenz zu behaupten.

Selfcare as warfare

In einer Welt die darauf ausgerichtet ist einen zu demütigen und loszuwerden, läge der  Widerstand darin, sich selbst zu lieben, zu akzeptieren und das eigene Wohlbefinden zu fördern. Ihr Recht zu existieren ließ sie sich somit von niemanden nehmen. Indem sie den Akt der Selbstliebe ausführte und das in einer Gesellschaft in der sie täglich um Anerkennung kämpfen musste.

Als schwarze lesbische Frau, hat Audre Lorde am eigenen Leib gespürt was es bedeutet, wenn sich niemand um sie kümmert und man eigentlich nicht überleben sollte. Trotz ihres Körpers, ihrer Hautfarbe und ihrer sexuellen Orientierung. Durch Self Care hat sie in diesem Kontext einen radikalen Akt ausgeführt, weil sie sich genau auf das gerichtet hat, was in der Gesellschaft wenig zählt.

Self Care Heute 

Seit Audres Statement sind 32 Jahre vergangen und Self Care spielt noch immer, eine zunehmend wichtige Rolle. Einfach weil der Drang nach Ausgleich, Ruhe und Stabilität – in einer Zeit die generell von Schnelllebigkeit gekennzeichnet ist –  enorm steigt. Die Zeit gehört mittlerweile zur unserer knappsten Ressource. Dazu kommt dann der immer höher werdende Leistungsdruck, Erwartungen und viele andere Dinge, die uns Antreiben über unsere eigenen Kapazitäten hinauszugehen. Der Alltag ist dann nicht selten auf Effizientmaximierung ausgelegt und man versucht immer mehr in weniger Zeit zu schaffen. In Hinbetracht dessen ist es verständlich das, dass Bedürfniss nach Rückzug und Entspannung wächst. 

 

Wenn man sich aber in den gängigen Social Media Kanälen umschaut, haben die meisten #Self Care Posts wenig mit Audres Zitat zutun. Was man meistens sieht sind Bilder von selbstgemachten Schönheitsmasken, jungen Frauen in Yoga Posen, oder Detox Retreats. Es geht dann doch eher um Selbstoptimierung statt Selbsterhaltung. Selbstoptimierung weil es schlichtweg einfach darum geht sich selbst zu verbessern. Das hat wenig mit Audre Lordes dargestellten Verständnis der Selbsterhaltung zu tun. Denn hier geht es darum durch Selbstfürsorge einen Weg zu finden, in dieser Welt überhaupt existieren zu können. Dadurch versucht man die Wirklichkeit des Alltags zu verändern, anstatt sich von ihr zu lösen.

Mein Erfahrung 

Ich habe viele Jahre gebraucht bis ich ein gewisses Maß an Selbstakzeptanz und Selbstliebe entwickeln konnte. In einer weißen Mehrheitsgesellschaft zu leben und ständig über seine Hautfarbe oder Herkunft reduziert werden zu müssen, ist nicht einfach. Man entwickelt ein Gefühl des Andersseins und der Ausgrenzung und daraus resultiert ein ewiger Kampf nach Akzeptanz und Anerkennung. Es hat lange gebraucht bis ich endlich Frieden mit meinem Äußeren schliessen konnte. Denn auch mein Schönheitsideal war seit meiner Kindheit – einseitig – von der eurozentrischen Schönheitsvorstellung geprägt. Viele WoC teilen die selben Erfahrung und so träumen auch Heute noch viele von glatten Haaren, hellen Augen, hellerer Haut und schmaleren Nase.

Mein Verständnis von Self Care hat sich in der Zeit etabliert, als ich angefangen habe alle Dinge an mir schön zu finden die in meinem Umfeld als – nicht schön –  abgestempelt wurden. Meine Haare, meine Haut, alles was in den Medien um mich herum,  wenig vertreten war, fing ich an wertzuschätzen. In dem ich Stück für Stück anfing mir eine ganzheitliche,  gesunde und natürliche Pflegeroutine aufzubauen. Nur das Beste für meine Haut und Haare. Nur das Beste für mich und meinem Körper. Ich habe mir selber den Wert zugeschrieben, den ich draussen nicht bekommen habe. Und den ständigen Kampf nach Anerkennung und Akzeptanz hatte ich gewonnen, weil ich für mich gelernt habe Selbstakzeptanz und Selbstliebe zu kultivieren. 

 

Somit heisst Self Care für mich auch meinen eigenen Space schaffen zu können, für mehr Ruhe, Reflexion, Stärkung und Heilung. In dem  Moment wo ich meine Haut mit natürlichen Ölen pflege, meine Haare vor dem schlafen gehen twiste, in protective hairstyles schone, oder mich einfach gesund ernähre, schenkt mir Gewissheit. Die Gewissheit Selbstfürsorge zu leisten, weil ich mir Achtung schenke und versuche mein Wohlergehen zu erhalten. Es ist Empowerment, Heilung und Befreiung zugleich, weil ich mich vom äußeren Druck der Erwartungen löse, in dem ich lerne mich so zu Lieben, wie ich eben bin.

Self Care ist also ein Nährboden für Selbstakzeptanz und Selbstliebe. Hier lernen wir uns selbstständig zu empowern und aufzubauen, um in der Welt – die uns draussen erwartet – Haltung und Standhaftigkeit bewahren zu können.

Wer sich um sich selbst kümmert, kann sich auch um andere kümmern heisst es. Und so wurde Self Care auch für Aktivisten und Menschen mit stressigen und sehr emotionalen Jobs zu einer bedeutsame Handlung. In diesem Kontext können sie tägliche Herausforderungen und psychische Belastungen bewältigen und in Zukunft noch lange aktiv bleiben.

Self Care ist ein Privileg zu dem nicht jeder Zugang hat

Self Care ist ein Privileg zu dem nicht jeder Zugang hat, heisst es in der Kolumne ,,Wenn der Schmerz bleibt ” von Esra Ayari. Den ich euch übrigens wärmstens empfehlen kann, zu lesen. 

 

Es gibt Räume, in denen ich mich unwohl fühle. Eine Sauna oder ein Massagesalon beispielsweise. Ich kenne diese Räume nicht. Denn meine Eltern, die ersten Bezugspersonen in meinem Leben, haben noch nie in ihrem Leben einen Massagesalon von innen gesehen. Wenn sie regelmäßig zum Arzt gehen, ist das schon Self-care.

 

Schreibt Esra. Und macht damit deutlich das Selbstfürsroge als Teil der Wellness Industrie, zu etwas geworden ist, dass sich nicht jeder leisten kann. Und das nicht nur aus finanziellen Gründen. Sondern auch auf Grund der gesellschaftlichen Positionierung, bleibt es ein unzugänglicher Raum für jene die nicht privilegiert genug sind.

 

Dieser viel zitierte Satz der Schwarzen Feministin und Schriftstellerin Audre Lorde verdeutlicht klar, dass die Erhaltung und Pflege der körperlichen und seelischen Gesundheit von rassifizierten Menschen nötig ist, um die eigene Existenz geltend zu machen.
(…)In einer Gesellschaft, in der diese Geschichten und Schmerzen unsichtbar sind und die Existenz Schwarzer und brauner Menschen an Bedingungen geknüpft ist, wird Self-care politisch und ist bitter nötig.Die Daseinsberechtigung nicht über Fremdzuschreibungen zu definieren. Sich selbst lieben, in einer Gesellschaft, in der du täglich um Legitimation kämpfen musst.
(…)Sowohl meine Großmutter als auch meine Mutter hatten aber keinen Zugang zu dieser Art von politischer Bildung. Auch dieser Zugang ist ein Privileg. Sie konnten und können diese Relevanz, den politischen Charakter dieser Selbstliebe nicht erfassen, aber ich kann es.

 

„Caring for myself is not self-indulgence, it is self-preservation, and that is an act of political warfare.”

Self Care sollte kein Privileg sein, sondern für jeden zugänglich sein. Das Zitat von Audre hat mich sehr inspiriert und dient als wichtiger Impuls, unser Verständnis von Self Care – das halt sehr stark durch Werbung oder Social Media geprägt wird – zu hinterfragen. Und auch mal unsere eigene Definition von Self Care zu definieren.

 

Quellen:

Safe Spaces, Self-Care & Empowerment – Netzfeminismus im Sicherheitsdispositiv 

Self Care ist ein Privileg von Esra Ayari

Bilder – Pinterest, Claire sukii brooks

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